Gefühle sind der Schlüssel zu deinem Herzen. Bewahre ihn gut, denn er könnte in falsche Hände fallen ...

Montag, 3. September 2012

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Ich gebe zu, ich bin zu skeptisch. Aber diese Skepsis basiert auf jahrelanger Erfahrung und die kann ich nicht mal eben abschalten. Immer wieder wurde mein Vertrauen missbraucht und weggeworfen. Also habe ich daraus gelernt und mich niemandem mehr anvertraut. Bis er in mein Leben kam. Da ich keine Namen äußere, schreibe ich einfach J. J war ein besonderer Mensch gewesen. Er hat mir zugehört und schien mich auch ohne Worte zu kennen. Wir waren uns sehr nah gewesen, aber nicht so nah, dass es für die erste Nacht gereicht hätte. Aber das war nicht schlimm. Wir hatten eine schöne Zeit miteinander und daran denke ich gerne zurück. Aber er hatte selber viele Probleme und ich glaube, dass ich ihm sehr zur Last gefallen bin mit meinen Problemen. Es tut mir so umheimlich leid, dass ich nicht für ihn da sein konnte, wo er mich brauchte. Ich war zu sehr mit meinen eigenen Problemen beschäftigt, als das ich mich seiner Probleme hinnehmen könnte. Zudem hat er Masken aufgesetzt, die nicht zu durchschauen waren. Psychologen konnten ihm nicht mehr helfen und so endete er auf dem Bahngleis...
Ein halbes Jahr der Trauer war vergangen und es schien bergauf zu gehen. Ich konnte wieder lachen und weinen, wie mir zumute war. Ich war ehrlich zu mir selber und war auch allein der glücklichste Mensch auf der Welt. Ich hatte alles, was ich brauchte und die Leere schien gefüllt. Aber der Schein trügt, erfahrungsgemäß.
So kam es dann, dass ich ein halbes Jahr später wieder auf J angesprochen wurde. "Na, wie läufts mit IHM?! .. Ach, ich vergaß, er ist ja verreckt, das alte Schwein!", hat ein Klassenkamerad gesagt. Sofort waren die schmerzhaften Erinnerungen wieder da. Mitunter kamen Schuldgefühle dazu. Ich war nicht für ihn da, als es drauf ankam. Ich habe es nicht verhindern können und bis heute habe ich das Gefühl, Blutspuren an den Gleisen erkennen zu können. Das Bild ist noch so real vor meinen Augen, dass ich es nie vergessen werde.
Seit dem Tag, an dem die Erinnerungen wieder geweckt wurden, war ein Mensch immer an meiner Seite. Er hat mir geholfen, damit klar zu kommen, obwohl ich mit bösen Gedanken gespielt habe. Ich bin ihm sehr dankbar, obwohl er mir nur geholfen hat, es erneut zu unterdrücken. Ich habe immer noch tierische Angst vor dem Zugfahren und die wird immer bleiben. Im Oktober haben wir uns getroffen und sind wenige Tage später zusammen gekommen. Wir erlebten die glücklichsten Tage in meinem Leben aber auch dieses Glück war schnell vorüber. Wir kamen immer öfter zum Streit und mittlerweile geht mir die Kraft aus.
Heute sitze ich hier und denke über den Sinn nach. Was haben die letzten Jahre mir gebracht? Wozu wurde ich so oft verletzt? Damit ich mich niemandem mehr anvertraue? Ein Leben in kompletter Isolation führe, damit mich niemand mehr verletzen kann? Oder würde ich mich dann doch nur selber verletzen?
Die Antworten werde ich wohl nicht bekommen, oder erst dann wenn ich aufhöre zu denken. Aber das wird nie passieren, weil ich doch irgendwie von den Gedanken lebe. Ich brauche keine Liebe, die kenne ich sowieso nicht. Ich brauche Musik und meine Gedanken. Glück ist nur was für die, die nicht durch die Tiefphasen des Lebens gehen.

1 Kommentar:

  1. Einer Freundin ist ähnliches passiert. Das ganze ist jetzt schon 4 Jahre her. Ich glaube ihr würdet euch ziemlich gut verstehen. Nur sind eure Vorwürfe gegen euch selber unberechtigt. Im Grunde lassen Menschen mit derartigen Problemen niemanden an sich heran. Sie geben einem nicht mal die Chance ihnen zu helfen, weil sie es nicht können, weil sie so eingeschränkt sind, dass sie jemand anderes nicht wahrnehmen können. Man kann solche Menschen nicht nachvollziehen. Man weiß nicht, wann es "soweit" ist. Welcher Grund das "Faß zum Überlaufen" bringt. Auch wenn du seinen Problemen mehr Aufmerksamkeit gegeben hättest, hätte er trotzdem irgendeinen Weg gefunden, sich seinem Leiden zu entziehen. Du wärst wahrscheinlich nicht mal zu ihm durchgedrungen.
    Nur denk bitte daran, dass keiner ein perfektes Leben führt. Vielleicht sieht das äußerlich so aus, weil man sich verstellen kann, weil man seine Maske perfekt trägt und seine Rolle glaubwürdig spielt. Natürlich ist es unfair, dass manche weniger Leid ertragen müssen als andere. Dass manche in geordneten Verhältnissen leben. Aber die Natur ist ungerecht. Natürliche Auslese, Selektion. Der am besten an die Umweltbedingungen angepasst ist, überlebt, körperlich als auch seelisch.
    Es ist oft der Fall, wenn man jemanden auf der Straße begegnet, dass man voreilige Schlüsse zieht. - Wow, hat sie/er eine top Figur. Ein Aussehen, bei dem man sich selbst gering und wertlos vor kommt. Es scheint als würde sie/er ein sorgloses Leben führen. Einen wundervollen treuen Partner haben, eventuell süsse, schnuckelige, brave Kinder. Ein Einkommen, dass reicht sich ein wunderschönes Haus oder nicht nur einen teuren Wagen leisten zu können. Aber dann unterhälst du dich mit ihm/ihr. Und plötzlich möchtest du doch nicht mit ihm/ihr tauschen.
    Versuch dich an dem Gezwitscher der Vögel zu erfreuen, an dem Duft von Lavendel, an dem erfrischenden Wind, der dein Haar zersaust, an dem Geschmack von Ferne. Vielleicht hab ich leicht reden, weil ich niemals Depressionen haben werde, wie mir eine Person mit diesem Krankheitsbild erläutert hat. Weil ich die Dinge nicht in mich hinein fresse, weil ich öffentlich weine und schreie. Na gut, dann habe ich eben Aggressionen und finde deshalb keinen inneren Frieden.
    Sobald man eine innige soziale Beziehung zu einem Menschen eingeht, sobald die Distanz abfällt und somit auch der Respekt, macht man sich verletzbar und gibt dem anderen die Chance, dass er einen weh tun kann.
    Wir alle haben eine mehr oder weniger geschädigte Vorgeschichte und jeder verarbeitet sie anders. Leben ist nicht leicht. Aber selbst du, wirst irgendwann Momente des Glücks erfahren. Und auch wenn sie nur klein sind. Wenn sie nur einige Sekunde andauern, wenn sie kürzer sind als z.B. ein anständiger Kuss, dann hast du doch etwas für dass es sich lohnt zu leben.

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